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G 11.006 CoverGeorg Philipp Telemann (1681–1767)
Seele, lerne dich erkennen!

Kantate für hohe Stimme, Altblockflöte (Violine) und Basso continuo
Aus „Harmonischer Gottesdienst”, TVWV 1:1258
Herausgegeben von Franz Müller-Busch
Generalbassaussetzung von Eckhart Kuper

Girolamo G 11.006, Partitur und 3 Stimmen, € 18,00
ISMN 979-0-50084-022-0

Beispielseite

G 11.005 G 11.007

 

 


Vorwort

Im Jahr 1725 erschien in Hamburg Georg Philipp Telemanns Kantaten-Jahrgang mit dem Titel:

Harmonischer / Gottes-Dienst / oder / geistliche / Cantaten / zum allgemeinen Gebrauche /
welche / zu Beförderung so wol der Privat-Haus- / als öffentlichen / Kirchen-Andacht /
auf die gewöhnlichen Sonn- und Fest-täglichen / Episteln durchs ganze Jahr / gerichtet sind / … /
In die Musik gebracht, und zum Druck befördert / von /
Georg Philipp Telemann / Chori Musici Hamb. Direct. / …

Die Kantate Seele, lerne Dich erkennen! ist dem Sonntag Estomihi (früher Quinquagesimae) – dem letzten Sonntag vor Beginn der Passionszeit – zugeschrieben. Das TVWV verzeichnet die Kantate unter der Nummer 1:1258.1) Der Text stammt von Matthäus Arnold Wilkens (1691–1745)2) und bezieht sich auf das 13. Kapitel in Paulus’ erstem Brief an die Korinther.

Als Vorlage dieser Ausgabe diente der Druck von 1725, der in der Königlichen Bibliothek Kopenhagen, Giedde’s Musiksammlung, unter der Signatur [mu 6208.0586 (XI, 8)3) aufbewahrt wird. Der Musikabteilung, insbesondere Frau Susanne Thorbek, sei hiermit herzlich für die freundliche Unterstützung und die Genehmigung zum Abdruck gedankt.

Die Schreibweise der Noten (Schlüssel, Vorzeichen etc.) wurde den heute üblichen Regeln angepasst, auf eine Modernisierung des Textes jedoch wurde bewusst verzichtet. Zusätze und Korrekturen des Herausgebers sind direkt im Notentext oder in Fußnoten kenntlich gemacht.

Im Vorbericht zum Harmonischen Gottesdienst geht Telemann detailliert auf verschiedenste Aspekte der Aufführungspraxis ein. So ist die vorliegende Kantate für hohe Stimme geschrieben, also ausdrücklich für Sopran oder Tenor. Es besteht die Möglichkeit, dass in den mit forte gekennzeichneten Ripieno-Stellen die Blockflöte von einer Violine unterstützt wird, die eine Oktave tiefer spielt als notiert. Die Blockflötenstimme kann vollständig von einer Violine übernommen werden, wobei auch in diesem Fall zumindest die Ripieno-Stellen nach unten zu oktavieren sind.

Ausführlich geht Telemann auf die Behandlung der Singstimme im Rezitativ ein und macht anhand von vielen Notenbeispielen deutlich, dass die Notation oft stark von der gewünschten Ausführung abweicht. Insbesondere sind hier die letzten zwei Noten vor Pausen betroffen, jedoch können auch an anderen Stellen Durchgangs- und Vorhaltsnoten eingefügt werden. Selbstverständlich ist das Rezitativ rhythmisch frei zu singen. Detaillierte Erläuterungen zur Ausführung von Rezitativen in der Kirche finden sich u. a. in Tosi/Agricolas Anleitung zur Singkunst.4)

Wiesbaden, im Mai 1998, Franz Müller-Busch

 

1) Menke, Werner: Thematisches Verzeichnis der Vokalwerke von Georg Philipp Telemann, Bd. I; Frankfurt/M., 2. Aufl. 1988; S. 115

2) a.a.O., S. 115 sowie: Menke, Werner: Thematisches Verzeichnis der Vokalwerke von Georg Philipp Telemann, Bd. II; Frankfurt/M., 2. Aufl. 1995; S. 119

3) Catalogue of Giedde’s Music Collection in the Royal Library of Copenhagen, compiled by Inge Bittmann; Kopenhagen, 1976; S. 118

4) Tosi, Pier Francesco/Agricola, Johann Friedrich: Anleitung zur Singkunst; Berlin, 1757; Faksimile-Neudruck: Wiesbaden, 1994; S. 150–164

 

Arie:
Seele, lerne dich erkennen!
lauter Stückwerk ist zu nennen,
was der Menschen Witz vermag.
Zur Vollkommenheit zu dringen
sind der ird’schen Klugheit Schwingen
viel zu schwach, viel zu schwach.

Rezitativ:
Ein Vögelchen, dem noch die Glieder
zu zart und weich,
erhebt umsonst sein zitterndes Gefieder,
den alten gleich,
den höhern Kreis der Lüfte zu zertheilen,
obgleich der Wille da,
denselben nachzueilen:
Nicht anders gehts allhier
mit unserm Witz und Wissen:
Die nimmer-ruhende Begier
ist nach dem Höhern stets beflissen;
der angebohrne Stolz
will auch die schwer’sten Sachen
sich Federleicht,
ja, was unmöglich fällt,
sich möglich machen,
da unserm Witz, wie unserm Leben,
von Gott doch hier ein Ziel gestellt,
das nicht zu überstreben.
Es kennt die Welt nur einen Salomon,
den Gott, um dessen Thron
die höchste Weisheit stral’t,
den Weisesten genennet,
der doch sein Schwachseyn selbst bekennet.

Ach ja, in dieser Zeit
steigt das Erkänntnis nicht zu seiner Völligkeit.
Gott lässt uns durch das Sterben,
das uns zu nichts zu machen scheint,
erst alles erben;
was dunkel war, wird dann ein heller Schein;
was Stückwerk hieß, wird ganz;
was kindisch, männlich seyn.

Arie:
So will ich dich mit Freuden küssen,
du Herold der Vollkommenheit!
Du zeigst uns Gott in seinem Lichte,
von Angesicht zu Angesichte,
und bringst uns ein vollkomm’nes Wissen,
bey so vollkomm’ner Seligkeit.

 

 

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